Markenverletzungen im Metaverse: Gerichtliche Zuständigkeit
Herausforderungen bei der Durchsetzung von Markenrechten im Metaverse
Der Begriff „Metaverse“ weckt die Vorstellung einer futuristischen und vernetzten virtuellen Welt, einer Erweiterung des Internets, in der die Nutzer in Gestalt von Avataren untereinander und mit der digitalen Umgebung interagieren. Diese digitale Welt, auf die häufig über Virtual Reality oder Augmented Reality zugegriffen wird, verbindet Elemente von Social Media, Online-Spielen und digitaler Wirtschaft und schafft so vielfältige Möglichkeiten für menschliche Interaktionen und wirtschaftliche Aktivitäten. Das Metaverse wird nicht als abgekoppelte Parallelwelt existieren, sondern durch zahlreiche Verbindungen mit der realen Welt verbunden sein.
Die virtuelle Umgebung des Metaverse wird jedoch die nationalen Grenzen, wie wir sie aus der analogen Welt kennen, ebenso sprengen wie schon das Internet vor ihm. Traditionell sind die physische Lokalisierung und das Territorialitätsprinzip für eine Reihe von Fragen sowohl im Markenrecht als auch im internationalen Privat- und Verfahrensrecht von zentraler Bedeutung, nämlich für die Bestimmung,
- ob und wo ein Markenrecht geschützt und damit durchsetzbar ist,
- welches Recht auf den Streitfall anwendbar ist (siehe dazu: „Markenrechtsverletzungen im Metaverse – Anwendbares Recht“), und
- welche Gerichte für einen Rechtsstreit zuständig sind.
Was die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit anbelangt, so haben sich die Gerichte seit langem bemüht, die herkömmlichen Grundsätze der Territorialität und der Lokalisierung auf grenzüberschreitende und oft globale kommerzielle Aktivitäten anzuwenden. In diesem Zusammenhang haben Gerichte etwa geprüft, auf welche Gebiete die rechtsverletzende Handlung ausgerichtet ist oder wo sich die Rechtsverletzung auswirkt.
Im Gegensatz zur analogen Welt verwischt das Metaverse aber geografische Grenzen und stellt durch seine ubiquitäre Natur die etablierten Grundsätze zur Lokalisierung vor große Herausforderungen. Verschärft werden diese Schwierigkeiten dadurch, dass die Nutzer des Metaverse nicht ortsgebunden sind, sondern von jedem Ort mit Internetanschluss aus agieren können.
In der Konsequenz wird auch die effektive Durchsetzung von Markenrechten im Metaverse zu einer Herausforderung, da die Bestimmung des zuständigen Gerichts am Anfang eines jeden Rechtsstreits steht und Voraussetzung für einen erfolgreichen Prozess ist. Die Frage ist also: Welches Gericht ist im Falle einer Markenrechtsverletzung im Metaverse zuständig?
Internationale Zuständigkeit bei Markenrechtsverletzungen im Metaverse
Man stelle sich den folgenden Beispielsfall vor:
Das österreichische Bekleidungsunternehmen A, das Inhaber einer deutschen und einer Unionsmarke ist, stellt fest, dass das in Italien ansässige Unternehmen B im Metaverse virtuelle Kleidungsstücke zur Verfügung stellt, die mit einem Zeichen gekennzeichnet sind, das identisch mit den Marken von A ist. Welche Gericht sind für eine Verletzungsklage von A gegen B zuständig?
Die in Deutschland und der Europäischen Union wichtigsten Bestimmungen zur internationalen Zuständigkeit finden sich in der Brüssel-Ia-Verordnung („EuGVVO“) und der Unionsmarkenverordnung („UMV“). Während der Anwendungsbereich der EuGVVO auf Beklagte mit Wohnsitz in der EU beschränkt ist (andernfalls gilt die lex fori des Gerichts, in Deutschland also das Zuständigkeitsrecht der ZPO), gilt die UMV unabhängig vom Wohnsitz des Beklagten.
Art. 4 Abs. 1 EuGVVO bzw. Art. 125 Abs. 1 UMV enthalten die allgemeine Regel, dass eine Person (immer) an ihrem (Wohn-) Sitz verklagt werden kann. Bei Markenrechtsverletzungen gelten aber praktisch wichtige Erweiterungen dieser Grundregel.
Im Falle der Verletzung nationaler Marken ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eröffnet. Danach ist der Beklagte sowohl an dem Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs („Erfolgsort“) als auch am Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens („Handlungsort“) gerichtspflichtig. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein mutmaßlicher Rechtsverletzer daher vor den Gerichten des Mitgliedstaats verklagt werden, in dem die Marke eingetragen ist, oder an dem Ort, an dem er die Entscheidungen und Handlungen zur Begehung der Rechtsverletzung vorgenommen hat, was regelmäßig – aber nicht zwingend – der Ort seines (Wohn-) Sitzes sein wird (EuGH, Rs. C-523/10, Rn. 39 – Wintersteiger). Der Handlungsort bietet demnach selten einen Vorteil für den Kläger, da er regelmäßig mit dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten zusammenfällt.
Im Übrigen ist es nicht erforderlich, dass die Verletzungshandlung besonders auf den Schutzstaat ausgerichtet ist, d.h. dort einen „commercial effect“ zeigt. Dies ist allein eine Frage der Begründetheit der Klage (EuGH, Rs. C-523/10, Rn. 26 – Wintersteiger; BGH GRUR 2020, 647, 650 Rn. 37, 39 – Club Hotel Robinson). In der oben beschriebenen Fallkonstellation bedeutet dies, dass A gegen B in Deutschland wegen der angeblichen Verletzung der deutschen Marke vorgehen könnte – ob in Deutschland auch ein „commercial effect“ vorliegt, wäre erst im Rahmen der Begründetheit für die Frage relevant, ob eine Rechtsverletzung vorliegt.
Handelt es sich bei der (angeblich) verletzten Marke hingegen um eine Unionsmarke, stellt sich die Situation anders dar. Art. 125 Abs. 5 UMV sieht vor, dass der Kläger seine Klage auch vor den Gerichten des Mitgliedstaats erheben kann, „in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“. Nach der Rechtsprechung muss die Verletzungshandlung auch in dem Gebiet „begangen“ worden sein, in dem sie als eine Werbung und ein Verkaufsangebot angesehen werden können. Dies ist dort der Fall, wo der geschäftliche Inhalt den Verbrauchern und Händlern, an die er gerichtet war, tatsächlich zugänglich gemacht worden ist (EuGH, Rechtssache C-172/18, Rn. 54 – AMS Neve).
Es muss daher ein „hinreichender Bezug“ zwischen der Verletzungshandlung und dem Mitgliedstaat, in dem sich das angerufene Gericht befindet, bestehen (EuGH, Rechtssache C-104/22, Rn. 36 – Lännen MCE). Im obigen Beispielsfall müsste A also nicht nur darlegen, dass der rechtsverletzende Inhalt im Gerichtsstaat zugänglich war, sondern auch, dass er auf ihn ausgerichtet war.
Zur Bestimmung dieser „Ausrichtung“ können verschiedene Kriterien herangezogen werden, unter anderem der internationale Charakter der Tätigkeit, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung einer anderen Top-Level-Domain als derjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt (EuGH, Rechtssache C-104/22, Rn. 46 – Lännen MCE).
Diese Kriterien sind allerdings für Web-2.0-Umgebungen entwickelt worden. In gänzlich virtuellen Räumen wie dem Metaverse können sie kaum unverändert zur Anwendung gebracht werden, da es dort regelmäßig an Top-Level-Domains, klassischen Währungen (wie EUR oder USD) oder traditionellen Bestellfunktionen und Lieferoptionen fehlt (siehe auch Uhlenhut/Bernhardt, WRP 2023, 139, 144). Es bleibt daher abzuwarten, ob diese Anknüpfungspunkte weiterentwickelt werden können, damit Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 125 Abs. 5 UMV in Zukunft einen (effektiven) Anwendungsbereich bei Rechtsverletzungen im Metaverse haben und der Kläger nicht im Ergebnis auf den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten verwiesen werden muss.
Darüber hinaus wird es aufgrund der anonymen Nutzbarkeit des Metaverse oft schwierig sein, Rechtsverletzer – und damit ihren Wohnsitz – zu ermitteln. Infolgedessen dürfte die Plattformhaftung noch mehr an Bedeutung gewinnen. Diese stößt allerdings bei dezentralen Metaversen, bei denen es keinen Intermediär gibt, praktisch auch an ihre Grenzen (siehe auch Reinholz, GRUR-Prax 2023, 585, 588).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit bei Markenrechtsverletzungen im Metaverse eine große Herausforderung darstellt, da die bislang etablierten Kriterien künftige Verletzungsfälle nicht hinreichend erfassen können. Die Folge könnte ein praktisches Durchsetzungsdefizit sein. Es bleibt daher abzuwarten, ob neue, verlässliche Anknüpfungspunkte entwickelt werden können, ob das Problem in die Begründetheitsprüfung verlagert wird oder ob ein Einschreiten des Gesetzgebers erforderlich wird.
Fazit für Ihr Unternehmen
Das Metaverse bietet neue Möglichkeiten für wirtschaftliche Expansion und Markenstrategien, bringt jedoch auch Herausforderungen für den Schutz von Marken und die Rechtsdurchsetzung mit sich. Wer jedoch die Potenziale nutzt und seine Rechte gewissenhaft schützt, kann mit erheblichen Wettbewerbsvorteilen rechnen. Ein aufmerksames und proaktives Markenmanagement im Metaverse ist nicht nur aus Compliance-Gründen wichtig, sondern auch zum Schutz der Integrität und des Werts Ihrer Marke in einer dynamischen, digitalen Welt.
Für Unternehmen, die den Schritt ins Metaverse wagen, ist es essenziell, die marken- und zuständigkeitsrechtlichen Rahmenbedingungen dieser virtuellen Räume zu verstehen. Sie müssen darauf vorbereitet sein, ihre (Marken-) Rechte in verschiedenen Jurisdiktionen zu schützen und durchzusetzen. Dazu gehört nicht nur die Registrierung von Marken in den relevanten Rechtsordnungen, sondern auch die Entwicklung von Strategien zur Überwachung und wirksamen Bekämpfung potenzieller Rechtsverletzungen.
Unternehmen müssen sich ferner darüber im Klaren sein, dass sich die Rechtslage dynamisch entwickelt. Mit zunehmender Verbreitung und Bedeutung des Metaverse werden auch Rechtsprechung und regulatorische Vorgaben immer umfangreicher. Der Schlüssel zum erfolgreichen Markenschutz im Metaverse ist daher, die Rechtslage im Blick zu behalten und dynamisch auf veränderte Anforderungen zu reagieren. So wird das wertvollste Gut eines jeden Unternehmens nachhaltig geschützt: die Markenidentität.
Externe Rechtsberatung zum Schutz und zur erfolgreichen Durchsetzung Ihrer Markenrechte im Metaverse ist daher unerlässlich. Wir unterstützen Sie mit unserer Erfahrung und Expertise gerne bei Ihrem Schritt ins Metaverse und beraten Sie umfassend.
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