GEMA gewinnt gegen OpenAI vor dem LG München I
Während die Entscheidungsgründe noch nicht im Volltext vorliegen, hat das Gericht eine ausführliche Pressemitteilung veröffentlicht. Wir fassen den Hintergrund des Verfahrens und die Kernaussagen des Gerichts zusammen.
1. Hintergrund
Hintergrund der Klage ist der Vorwurf, OpenAI habe sein bekanntes Produkt ChatGPT unter anderem mit urheberrechtlich geschützten Songtexten trainiert, die auch aus dem Repertoire von GEMA-Mitgliedern – unter anderem Helene Fischer und Rolf Zuckowski – stammten. Dies sei leicht nachzuweisen, da ChatGPT die Songtexte ohne weiteren Zugriff auf das Internet vollständig wiedergeben könne. OpenAI habe, so die GEMA, systematisch und unter bewusster Inkaufnahme von Rechtsverletzungen urheberrechtlich geschütztes Material verwendet, um sein KI-Modell zu trainieren. Die Nutzung der Liedtexte sei jedoch nur gegen eine angemessene Vergütung zulässig, wofür die GEMA ein aus ihrer Sicht faires Lizenzmodell entwickelt habe.
2. Die Entscheidung des LG München I
In rechtlicher Hinsicht wurde erwartet, dass sich das LG München I, ähnlich wie im Verfahren von Robert Kneschke gegen den LAION e.V. vor dem Landgericht Hamburg, im Wesentlichen mit der Anwendung der „Text- und Data-Mining“-Schranke („TDM-Schranke“) in § 44b UrhG. Diese Erwartungen haben sich – anders als im Hamburger Verfahren, in dem etwas überraschend § 60d UrhG in den Vordergrund rückte – erfüllt.
Das Gericht sah zunächst in zweifacher Hinsicht einen Eingriff in das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht der streitgegenständlichen Liedtexte:
Einerseits liege in der „Memorisierung“ der Texte eine Vervielfältigung. Eine „Memorisierung“ liege vor, wenn die Sprachmodelle während des Trainings dem Trainingsdatensatz nicht nur Informationen entnehmen, sondern diese vollständig übernehmen. Dies sah das Gericht als erwiesen an, da angesichts der Länge der Liedtexte eine identische Wiedergabe im Output kein bloßer Zufall sein könne. Dabei verwarf das Gericht den Einwand von OpenAI, ihre Sprachmodelle speicherten oder kopierten keine spezifischen Trainingsdaten, sondern reflektierten in ihren Parametern, was sie basierend auf dem gesamten Trainingsdatensatz erlernt hätten.
Anschließend widmete sich das Gericht der in Praxis und Wissenschaft viel diskutierten Frage, ob die TDM-Schranke des § 44b UrhG eingreift. Im Ergebnis verneint das Gericht dies. Zwar falle die Vervielfältigung, die für das Zusammenstellen der Trainingsdaten erforderlich ist, grundsätzlich unter die Schrankenregelung, da mit solchen vorbereitenden Handlungen noch kein Verwertungsinteresse berührt werde. Etwas anderes gelte aber dann, wenn beim Training des (Sprach-) Modells nicht nur Informationen aus Trainingsdaten extrahiert, sondern urheberrechtliche Werke vervielfältigt werden. Diese Vervielfältigungen im Modell griffen nämlich in das Verwertungsrecht der Rechteinhaber ein, während die Prämisse der TDM-Schranke sei, dass lediglich Informationen extrahiert werden und gerade keine Vervielfältigung erfolgt, die in das Verwertungsrecht der betroffenen Urheber eingreift. Eine andere, „mutmaßlich technik- und innovationsfreundliche Auslegung“ lehnt das Gericht wegen des „klaren Wortlauts der Bestimmung“ ab, da bei Vervielfältigungen im Modell die Werkverwertung nachhaltig beeinträchtigt und die berechtigten Interessen der Rechteinhaber dadurch verletzt würden.
Schließlich sei auch die Wiedergabe der Liedtexte als Output eine Vervielfältigung im urheberrechtlichen Sinne. Für dieses im Grunde wenig überraschende Ergebnis ließ das Gericht das Argument von OpenAI nicht gelten, wonach die Ausgabedaten nur als Folge von Nutzer-Eingaben (Prompts) generiert würden, sodass nicht OpenAI, sondern der jeweilige Nutzer als Hersteller der Ausgabedaten für diese verantwortlich sei. Denn für die Architektur der Modelle, die Memorisierung und damit letztlich für die Outputs sei allein OpenAI verantwortlich.
3. Einordnung und Praxishinweise
Das noch nicht rechtskräftige Urteil ist eine gute Nachricht für Rechteinhaber und fällt in der Pressemitteilung jedenfalls bemerkenswert deutlich aus. Umgekehrt ist es in seiner Aussage keineswegs auf OpenAI beschränkt, sondern sollte auch andere Anbieter von (Sprach-) Modellen aufhorchen lassen.
Ähnlich wie das Hamburger LAION-Verfahren kann das Verfahren der GEMA geradezu als Musterprozess unter den „KI-Klagen“ betrachtet werden. Diese Verfahren sind juristisch ebenso spannend wie herausfordernd, da Lösungen für eine Reihe ungeklärter Rechtsfragen gefunden werden müssen und die einzelnen Verfahren häufig tatsächliche Besonderheiten aufweisen. Während im LAION-Verfahren die etwas spezielle Schranke des § 60d UrhG im Vordergrund zu stehen scheint, dürfte das Münchener GEMA-Verfahren die verallgemeinerungsfähigeren zu Erkenntnisse zu § 44b UrhG mit sich bringen. Eines ist gewiss: Bei entsprechendem Willen der Parteien werden beide Verfahren den Bundesgerichtshof und den Europäischen Gerichtshof erreichen.
Der nächste Zwischenschritt auf diesem Weg ist die für den 10. Dezember 2025 angekündigte Verkündung des LAION-Urteils durch das OLG Hamburg. Wir halten Sie in unserem Blog auf dem Laufenden!
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