Vollstreckung von EUIPO-Kostenentscheidungen – Ein Praxisleitfaden
Im Folgenden stellen wir dar, wie die Vollstreckung in der Praxis funktioniert, welche Behörden zuständig sind und wann sich eine Vollstreckung überhaupt lohnt.
Wir danken an dieser Stelle Herrn Til Todorski, Referendar in der Anwaltsstation, für seine großartige Unterstützung bei diesem Beitrag.
1. Rechtsgrundlage: EUIPO-Kostenentscheidungen als vollstreckbare Titel
Nach Art. 110 Abs. 1 UMV (Art. 71 Abs. 1 UGMV) sind alle Entscheidungen des EUIPO, die Kosten festsetzen, automatisch vollstreckbare Titel in allen EU-Mitgliedstaaten. Ein gesondertes Anerkennungsverfahren ist nicht erforderlich. Damit stellt das europäische Markenrecht eine unmittelbare Durchgriffsbefugnis bereit, die – in der Theorie – eine effiziente grenzüberschreitende Durchsetzung ermöglichen soll.
Wichtig zu verstehen ist, dass das EUIPO selbst keine Zuständigkeit für die Vollstreckung hat. Seine Aufgabe endet mit der Kostenfestsetzung; die Vollstreckung obliegt sodann den nationalen Stellen der Mitgliedstaaten.
2. Voraussetzung der Rechtskraft: Wann ist der Titel vollstreckbar?
Eine EUIPO-Entscheidung wird erst dann vollstreckbar, wenn sie rechtskräftig ist. Solange ein Antrag auf Überprüfung nach Art. 109 Abs. 8 UMV gestellt wird oder eine Beschwerde gegen die Entscheidung anhängig ist, entfaltet die Kostenfestsetzung keine Rechtskraft. Erst wenn diese Verfahren abgeschlossen sind, kann der Gläubiger tätig werden.
Die Rechtskraft ersetzt sämtliche nationalen Anerkennungsschritte. Der Titel ist „aus sich heraus“ bereits vollstreckbar, ohne dass ein nationales Gericht über seine Wirksamkeit entscheidet.
3. Antrag auf Vollstreckungsklausel bei der national zuständigen Stelle
Wer vollstrecken will, muss allerdings die Erteilung einer Vollstreckungsklausel bei der zuständigen nationalen Behörde beantragen. Art. 110 Abs. 2 UMV (Art. 71 Abs. 2 UGMV) überlässt es den Mitgliedstaaten, hierfür eine nationale Stelle zu benennen. Diese Stelle bestätigt lediglich die Echtheit der Entscheidung – eine materiell-rechtliche Prüfung findet ausdrücklich nicht statt.
Eine vollständige Auflistung der nationalen Stellen, die nach Art. 110 Abs. 2 UMV (Art. 71 Abs. 2 UGMV) für die Erteilung der Vollstreckungsklausel verantwortlich sind, findet sich in der Mitteilung Nr. 1/23 des Exekutivdirektors des Amtes vom 9. Juni 2023 (hier abrufbar). Das EUIPO weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass keine Gewähr für die Aktualität oder Vollständigkeit der Informationen übernommen wird, sodass eine Überprüfung im Einzelfall empfehlenswert bleibt.
Die meisten Mitgliedstaaten haben – entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift – eine einzige Stelle benannt. Einzig Ungarn weicht von diesem Prinzip ab und gibt mehrere (nämlich 20) Gerichte an, die Vollstreckungsklauseln erteilen dürfen.
In Deutschland ist das Bundespatentgericht gemäß § 125a MarkenG (§ 64 DesignG) für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zuständig. Dem Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel ist eine Kopie der Entscheidung im Original, eine Bestätigung der Rechtskraft der Entscheidung durch das EUIPO beizufügen. Gegebenenfalls wird auch eine Übersetzung des Rubrums und des Titels sowie eine Vollmacht verlangt (vgl. BeckOK/Söder, MarkenR, 43. Edition, Stand: 1.07.2025, Art. 110 UMV Rn. 8 m.w.N.).
Da der Stand eines Verfahrens vor dem EUIPO in der amtlichen Datenbank „eSearch plus“ öffentlich bekanntgegeben wird, genügt es zum Nachweis der Rechtskraft einer Entscheidung regelmäßig einen Screenshot vorzulegen, aus dem sich ergibt, dass das Verfahren abgeschlossen wurde. Bei Entscheidungen des EUIPO, die nicht in deutscher Sprache verfasst sind, genügt dem Bundespatentgericht in aller Regel eine maschinelle Übersetzung, sofern diese nicht offensichtlich unschlüssig ist.
4. Durchführung der Vollstreckung nach nationalem Zivilprozessrecht
Nach Erteilung der Klausel kann der Gläubiger die Vollstreckung betreiben. Die praktische Durchführung richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht des Vollstreckungsstaats. Dies umfasst insbesondere:
- das zuständige Vollstreckungsgericht oder den Gerichtsvollzieher,
- die zulässigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen,
- die Frage eines möglichen Anwaltszwangs,
- die Notwendigkeit weiterer Übersetzungen,
- sowie die Kosten und Dauer des Vollstreckungsverfahrens.
Das bedeutet: Der Vollstreckungsprozess ist nicht unionsweit harmonisiert, sondern kann sich von Staat zu Staat erheblich unterscheiden. Gläubiger müssen sich deshalb frühzeitig im Vollstreckungsstaat informieren oder lokale Anwälte einschalten.
5. Keine inhaltliche Überprüfung: Nationale Stellen sind strikt gebunden
Die nationale Behörde darf ausschließlich die Echtheit des EUIPO-Titels prüfen. Eine Überprüfung der materiellen Richtigkeit ist nicht zulässig. Fehlerhafte oder missverständliche Kostenfestsetzungen müssen beim EUIPO selbst angegriffen werden – etwa über den Überprüfungsantrag nach Art. 109 Abs. 8 UMV, über Berichtigung nach Art. 102 UMV oder über Widerruf nach Art. 103 UMV. Nationale Stellen sind strikt an die Entscheidung gebunden und dürfen weder die Kostenhöhe noch deren Begründung hinterfragen.
6. Wirtschaftlichkeit: Lohnt sich die Vollstreckung überhaupt?
Obwohl die Vollstreckung rechtlich möglich und klar geregelt ist, stellt sich in der Praxis häufig die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen. Die Beträge, um die es geht, sind zumeist vergleichsweise gering. Bei einer Widerspruchsentscheidung in erster Instanz beläuft sich die Kostenerstattung regelmäßig nur auf die Widerspruchsgebühr in Höhe von EUR 320 und die Vertretungskosten in Höhe von EUR 300 (Art. 18 Abs. 1 lit. c) UMDV). Bei der im gewerblichen Rechtsschutz weit verbreiteten Praxis der stundensatzbasierten Abrechnung kann die vollstreckbare Forderung dementsprechend schnell von den anwaltlichen Gebühren überholt werden. Oft wird deshalb von vorneherein auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet.
Jedenfalls bei Schuldnern, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, empfehlen wir aber, nicht leichtfertig auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten. In unserem Hause haben wir die Abläufe so ausgerichtet, dass auch bei geringen Forderungen am Ende die Kosten der Vollstreckung den vollstreckbaren Betrag nicht übersteigen.
Selbstverständlich stehen wir Ihnen zur Seite. Sprechen Sie uns gerne an.
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