Mogelpackungen neu verpackt!
Die BGH Entscheidung vom 29. Mai 2024, Az. I ZR 43/23 – Mogelpackung im Online-Shop
In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wieder einmal mit der Frage zu beschäftigen, ab wann bei einer nicht vollständig gefüllten Verpackung von einer so genannten „Mogelpackung“ auszugehen ist.
Neu dabei war der Umstand, dass die angegriffene Mogelpackung nicht im Regal stand, sondern in einem Online-Shop angeboten wurden.
Stein des Anstoßes war die Verpackung eines Waschgels für Herren von L‘Oréal in Form einer aus Kunststoff bestehenden Tube mit einer Füllmenge von 100ml. Das Duschgel wurde dabei in einer Online-Werbung auf dem Verschlussdeckel stehend abgebildet. Gegenstand des Verfahrens war also ein Foto der Verpackung im Internet.
Im unteren Bereich des Verschlussdeckels ist die Tube transparent, so dass der orangefarbene Inhalt sichtbar ist. Hingegen ist der obere, sich verjüngende Bereich der Tube bis zur Falz silbern eingefärbt und undurchsichtig. Tatsächlich gefüllt ist die Tube nur im durchsichtigen Bereich bis zum Beginn des silbern eingefärbten oberen Teils der Tube.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vertrat die Auffassung, dass diese Form der Verpackung eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Mogelpackung darstelle, da sie beim Verbraucher den Eindruck erwecke, fast vollständig gefüllt zu sein.
Der BGH folgte entgegen dem OLG Düsseldorf (20 U 176/21) dieser Auffassung der Klägerin. Aufgrund ihrer Gestaltung und Befüllung täusche die Produktverpackung eine größere Füllmenge vor, als tatsächlich enthalten war. Die beanstande Internetwerbung verstoße daher gegen § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG.
Eine wettbewerbsrechtlich relevante Irrführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung liege nach Auffassung des BGH vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge stehe. Dies sei jedenfalls der Fall, wenn die Verpackung wie hier nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist.
Auch verhindere weder die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge noch beruhe die Füllmenge auf technischen Erfordernissen.
Die Irreführung besteht dabei nach Auffassung des BGH unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium. Eine Spürbarkeit des Verstoßes liegt nach Auffassung des BGH und entgegen der Annahme des OLG Düsseldorf nämlich auch vor, wenn die konkrete Größe der Produktverpackung dem Verbraucher im Zeitpunkt der Beschäftigung mit dem Angebot und dem Erwerb des Produkts gar nicht ersichtlich ist, da es sich um eine Online-Werbung handelt.
Denn der Schutzzweck des § 43 Abs. 2 MessEG bzw. des § 5 UWG, den Verkehr vor Mogelpackungen zu schützen, ist unabhängig vom Vertriebsweg immer dann betroffen, wenn eine Fertigpackung nach Gestalt und Befüllung über ihre relative Füllmenge täuscht.
Damit ist geklärt, dass Mogelpackungen auch dann verboten sind, wenn mit ihnen im Internet oder auf Abbildungen etwa in Prospekten geworben wird.
Die Rechtsprechung steht dabei insoweit im Einklang mit Art. 10 des Trilog-Entwurfs der Verpackungsverordnung, wonach Verpackungen mit Eigenschaften, die lediglich darauf abzielen, das wahrgenommene Volumen des Produkts zu vergrößern, bereits nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Der Trilog-Entwurf der EU-Verpackungsverordnung
Das Europäische Parlament hat am 24. April 2024 den Trilog-Entwurf der neuen EU-Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) mit großer Mehrheit angenommen.
Bei der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle handelt es sich um einen Vorschlag der EU-Kommission aus November 2022.
Hintergrund der Verordnung ist der zweite „EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft – Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“, der im Rahmen des europäischen Grünen Deals von der Europäischen Kommission im März 2020 verabschiedet wurde und das Ziel hat, Verpackungsabfälle massiv zu reduzieren.
Bislang gilt in der EU die Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle aus dem Jahr 1994. Diese überlässt es den einzelnen EU-Ländern, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um den Verpackungsmüll zu verringern. Folglich gibt es derzeit in Europa eine Vielzahl unterschiedlicher Vorgaben, die Unternehmen berücksichtigen müssen.
Die neue Verordnung wird – anders als eine Richtlinie – unmittelbar in allen EU-Staaten geltend. Sie wird daher die Verpackungsrichtlinie und wohl auch das deutsche Verpackungsgesetz ablösen und erhebliche neue Regeln für die Wirtschaft aufstellen.
Die genauen Zeitpunkte des Inkrafttretens sowie des Geltungsbeginns werden noch bestimmt, nachdem der Rat der neuen Verordnung ebenfalls zugestimmt hat. Voraussichtlich wird die Verordnung 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten geltend.
Die Kernpunkte der EU-Verpackungsverordnung
Die wichtigsten Ziele der neuen EU-Verordnung sind die folgenden:
- Verpackungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, dürfen nicht mehr in Verkehr gebracht werden, wenn sie PFAS in einer Konzentration enthalten, die über bestimmte geringe Richtwerte hinausgehen (Art. 5)
- Verpackungen müssen recyclingfähig sein (Art. 6); wobei vorgegeben wird, wann Verpackungen als recyclingfähig gelten (Art. 6).
- Kunststoffverpackungen müssen eine bestimmte Mindestmenge an recycelten Materialien enthalten, die sich bis 2040 nochmals erhöhen (Art. 7)
- An Obst und Gemüse angebrachte Aufkleber müssen kompostierbar sein (Art. 9)
- Ab dem 1. Januar 2030 werden bestimmte Einwegverpackungen aus Kunststoff verboten, z. B. für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse; für Lebensmittel und Getränke, die in Räumlichkeiten des Gastgewerbes befüllt und verzehrt werden; für Einzelportionen von Gewürzen, Soßen, Sahne oder Zucker im Gastgewerbe; für Kosmetik-, Hygiene- und Toilettenartikel im Beherbergungssektor (Anhang V)
- Gewicht und Volumen der Verpackungen sind so gering wie möglich zu halten (Art. 10 Abs. 1)
- Verpackungen mit Eigenschaften, die lediglich darauf abzielen, das wahrgenommene Volumen des Produkts zu vergrößern, beispielsweise durch Doppelwände, falsche Böden oder unnötigen Schichten (so genannte Mogelpackungen) dürfen außer in Ausnahmefällen nicht in den Verkehr gebracht werden (Art. 10 Abs. 2)
- Es gelten bestimmte Etikettierungs-, Kennzeichnung- und Informationsanforderungen (Kapitel III)
- Lieferanten von Verpackungen müssen dem Erzeuger alle Informationen und Unterlagen zum Nachweis der Konformität der Verpackung nachweisen (Art. 16)
- Die pro Kopf anfallenden Verpackungsabfälle sind im Vergleich zu den Verpackungsabfällen im Jahr 2018 bis 2030 schrittweise um 5%, bis 2035 um 10% und bis 2040 um 15% zu verringern (Art. 43)
Implikationen für Marken- und Designinhaber
Watch Out! Die „verschwenderische“ Gestaltung einer Verpackung mit einem größeren Volumen als erforderlich kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn diese Gestaltung der Verpackung durch ein Designrecht oder eine Marke geschützt ist (Art. 10 Abs. 2).
Diese Ausnahme gilt aber nur für Designrechte oder Marken, die am Tag des Inkrafttretens der Verordnung bereits geschützt sind. Weitere Voraussetzung ist, dass sich eine Reduktion der Verpackung nach den Vorgaben der Verpackungsverordnung so auf die Marke auswirken würde, dass ihre Herkunftsfunktion beeinträchtigt wird. Bei Designrechten setzt die Ausnahmeregelung voraus, dass die Verkleinerung und Veränderung der Verpackung die Neuheit oder Eigenart der Verpackungsgestaltung beeinträchtigt.
Zukünftig wird also bei der Gestaltung und dem Design von Verpackungen wesentlich genauer hingeschaut werden müssen. Die umfangreichen und detaillierten rechtlichen Vorgaben der neuen Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle sind zu beachten. Dies hat unmittelbare Implikationen auch auf Marken- und Designanmeldungen im Zusammenhang mit Produktverpackungen.
Wir beraten Sie gern bei der Anmeldung und Eintragung Ihrer Design- und Markenrechte und helfen Ihnen, Ihre Verpackungsgestaltungen erfolgreich durch das Dickicht der neuen rechtlichen Vorgaben zu bringen.
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