Sad Beige Battle: Was hinter dem US-Rechtsstreit um eine Social-Media-Ästhetik steckt und die deutsche Sicht
1. Hintergrund des Rechtsstreites
In den USA sorgte jüngst ein bemerkenswerter Rechtsstreit zwischen den Social-Media-Influencerinnen Sydney Nicole Gifford und Alyssa Sheil für Aufmerksamkeit. Gifford wirft ihrer Kollegin vor, ihre charakteristische visuelle Darstellung auf Social Media – bestehend aus neutralen, beigen und cremefarbenen Tönen – kopiert und sich damit unrechtmäßig ihren Online-Auftritt zu eigen gemacht zu haben. Beide nutzen diese Ästhetik, um über sogenannte Amazon Storefronts Produkte zu bewerben (vgl. Link).
Doch was steckt hinter dem Streit? Die sogenannte „Beige Aesthetic“ oder auch der „Clean Girl Look“ ist ein in den letzten Jahren auf Plattformen wie Instagram und TikTok weit verbreiteter Trend. Sie zeichnet sich durch minimalistische Bildwelten in gedeckten, oft monochromen Farbtönen aus, häufig kombiniert mit sanfter Beleuchtung und einem nostalgisch-melancholischen Unterton. Die Ästhetik wird von vielen Content-Creatoren als bewusste Abgrenzung vom lauten, farbenfrohen Influencer-Stil verstanden – und ist längst zu einem eigenen Markenzeichen geworden.
Im April 2024 reichte Gifford Klage gegen Sheil ein und machte unter anderem Urheberrechtsverletzung, Verletzung ihres sogenannten „Trade Dress“ und Wettbewerbsverletzung geltend. Im November 2024 entschied das zuständige US-Bezirksgericht, einige der Vorwürfe abzuweisen, ließ jedoch die Klagepunkte wegen Urheberrechtsverletzung, Verletzung des „Trade Dress“ und unrechtmäßiger Aneignung des Erscheinungsbilds (Misappropriation of Likeness) zur weiten Prüfung zu. US-Kommentatoren sind sich jedoch einig, dass Gifford ein harter Kampf bevorsteht.
Die Auseinandersetzung wirft im Ergebnis grundlegende Fragen auf: Kann eine Ästhetik überhaupt urheberrechtlich geschützt sein? Und wie weit reicht der Schutz von Markenidentitäten im digitalen Raum? Im Folgenden werfen wir einen Blick darauf, wie ein solcher Fall nach deutschem Recht zu beurteilen wäre.
2. Die Sicht des deutschen Rechts
a) Urheberrechtlicher Schutz einer Ästhetik
Nach deutschem Urheberrecht (§ 2 UrhG) sind nur konkrete Werke geschützt – also persönliche geistige Schöpfungen mit einer gewissen Schöpfungshöhe. Eine rein stilistische Gestaltung oder ein allgemeiner visueller „Vibe“, wie im Fall der „beigen Ästhetik“, fällt im Grundsatz nicht unter den Schutzbereich des deutschen Urheberrechts.
Einzelne Fotos, Videos oder Texte können urheberrechtlich geschützt sein, nicht jedoch die bloße Farbpalette, Tonalität oder der allgemeine Look eines Social-Media-Profils. Auch eine kuratierte Bildsprache auf einem Instagram-Feed dürfte regelmäßig nicht ausreichen, um als konkretes Werk im Sinne des UrhG anerkannt zu werden.
Spannend ist insoweit, dass Gifford zahlreiche Fotos und Videos beim U.S. Copyright Office registriert hatte. Mangels offiziellen Registers ist dies in Deutschland so natürlich bereits im Ausgangspunkt nicht möglich – denn beim deutschen Urheberrecht handelt es sich um ein nicht registriertes Recht, das automatisch in dem Moment der Schöpfung des Werkes entsteht.
Auch nach deutschem Recht existiert im Grundsatz insbesondere ein Lichtbildschutz für Fotos (vgl. § 72 UrhG). Dieser schützt jedoch nur die die technische Aufnahmeleistung und erstreckt sich daher nach ganz allgemeiner Ansicht nicht auf die Anfertigung nahezu gleicher Fotoaufnahmen durch nochmalige Aufnahme desselben Motivs und gewährt somit keinen fotografischen Motivschutz.
In Einzelfällen kann jedoch auf den urheberrechtlichen Motivschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 zurückgegriffen werden, wenn die in der Ursprungsfotografie verkörperte schöpferische Leistung durch die Nachahmung bzw. Nachstellung übernommen wird (OLG Köln GRUR 2000, 43 – Klammerpose: Motivschutz einer inszenierten Pose bejaht; BGH GRUR 2003, 1035 – Hundertwasserhaus: Motivschutz für Aufnahmeperspektive und Weitwinkeleffekt verneint).
Hierfür muss eine Fotografie jedoch zunächst einen eigenen schöpferischen Gehalt aufweisen. Bei vorhandener Eigenart – etwa durch die besondere Komposition, Perspektive oder Technik – sind die prägenden Merkmale zu identifizieren. Gemeinfreie Elemente wie Stil oder Motiv bleiben außen vor, sofern sie nicht individuell ausgeprägt sind. Insoweit dürfte sicherlich zu berücksichtigen sein, dass in der Vergangenheit verschiedene „Aesthetics“ und „Vibes“ wie „Vanilla Girl“ und „Old Money“ die sozialen Medien prägten und von vielen Nutzern nachgeahmt wurden (vgl. Link).
Im Anschluss ist zu prüfen, ob und inwieweit die prägenden Merkmale in der nachgeahmten Fotografie übernommen wurden. Bei geringem Schutz genügen jedoch schon kleinere Abweichungen, um aus dem Schutzbereich herauszufallen.
Ansprüche auf der Basis von Urheberrecht wären daher auch nach deutsche Recht nicht von vornherein ausgeschlossen, sofern die Konkurrentin ein bestimmtes Foto nachgeahmt hätte. Die erfolgreiche Geltendmachung dürfte jedoch regelmäßig an den hohen Anspruchsvoraussetzungen scheitern.
b) Schutz durch Wettbewerbsrecht (§ 4 Nr. 3 UWG)
Außerhalb des Anwendungsbereichs des Urheberrechts kann wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz insbesondere nach § 3 Abs. 1 UWG, § 4 Nr. 3 UWG in Betracht kommen.
Auch insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach § 4 Nr. 3 UWG nur konkrete Waren oder Dienstleistungen geschützt werden. Bei einem „Vibe“ und einer „Aesthetic“ handelt es sich im Ausgangspunkt zunächst um ein rein unkörperliche Gestaltungsidee, eine Stil oder gemeinfreie, naheliegende Motive, die als solche nicht schutzfähig ist (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl., UWG, § 4 Rn. 137).
Erst wenn eine „Aesthetic“ in einer konkreten Ausgestaltung verwirklicht wurde, mag der Schutzbereich der UWG eröffnet sein.
Insoweit ist zu bedenken, dass die von den Influencerinnen konkret beworbenen Produkte regelmäßig von Dritten stammen und insoweit keine Rechte geltend gemacht werden können. Influencer bieten jedoch werbliche Dienstleistungen in Form der Präsentation und Empfehlung von Produkten und Marken Dritter über soziale Medien und Online-Plattformen zu Verkaufsförderung an.
Insoweit dürfte interessant sein, dass § 4 Nr. 3 UWG grundsätzlich auch die Nachahmung von Dienstleistungen umfasst. Ähnlich wie in dem 2019 vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall über die Nachahmung eines Gastronomiekonzepts für Trend Food Lokale (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2019, 112), könnte man darüber nachdenken, ob die Nachahmung des Webauftritts eines professionellen Online-Influencers über diesen Weg justiziabel ist.
Weitere Voraussetzung dafür wäre aber in jedem Fall eine wettbewerbliche Eigenart der Dienstleistung, also die Eignung, auf eine betriebliche Herkunft oder besondere Leistungen des Anbieters hinzuweisen. Auch hier dürfte erneut zu bedenken sein, dass in der Vergangenheit verschiedene „Aesthetics“ und „Vibes“ wie „Vanilla Girl“ und „Old Money“ die sozialen Medien prägten und von vielen Nutzern nachgeahmt wurden. Der Nachweis einer hinreichenden wettbewerblichen Eigenart dürfte daher nicht leicht fallen.
Schließlich müsste nachgewiesen werden, dass eine unlautere Nachahmung, z. B. durch vermeidbare Herkunftstäuschung oder Rufausbeutung, vorliegt.
c) Markenrechtlicher Schutz
Ein Schutz über das Markenrecht wäre nur dann möglich, wenn die Influencerin ihre Ästhetik (z. B. bestimmte visuelle Gestaltungen, Slogans oder Logos) als Marke eingetragen hat oder zumindest eine Verkehrsgeltung nachweisen kann (§ 4 MarkenG). Auch hier liegt die Hürde hoch, denn bloße Stilmerkmale gelten grundsätzlich nicht als markenfähig, solange sie nicht auf eine bestimmte betriebliche Herkunft hinweisen.
3. Fazit
Es bleibt spannend, ob und wie der Fall von den US-Gerichten ultimativ entschieden wird.
Jedenfalls nach deutschem Recht dürfte es jedoch schwer werden, vergleichbare Ansprüche hierzulande erfolgreich geltend zu machen. Eine allgemein gehaltene Social-Media-Ästhetik – so populär und markenbildend sie subjektiv auch erscheinen mag – ist nach deutschem Recht nur schwer greifbar. Nur bei sehr konkreten, individuell prägenden Elementen kann es unter Umständen zu einem urheber-, wettbewerbs- oder markenrechtlichen Schutz kommen.
Dieser Fall zeigt einmal mehr: Auch im digitalen Raum bewegen wir uns oft in rechtlichen Grauzonen. Wer sich als Influencer:in eine unverwechselbare Markenidentität aufbauen will, sollte frühzeitig über Schutzmöglichkeiten nachdenken – zum Beispiel durch Markeneintragung, AGB, Verträge mit Kooperationspartnern oder klare Content-Richtlinien.
Unsere Kanzlei berät Sie gerne zu Fragen des Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrechts – sei es bei der Entwicklung einer Schutzstrategie für Ihren Social-Media-Auftritt, bei der rechtssicheren Zusammenarbeit mit anderen Creators oder im Falle einer Auseinandersetzung um kreative Inhalte.
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