Neue EuG-Entscheidung zum Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung
Das EuG hatte kürzlich erneut Gelegenheit, sich mit den Anforderungen an den Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung zu befassen (EuG, Urt. v. 7. Februar 2024, Az. T-792/22 - WOXTER). Das Urteil befasst sich insbesondere mit erstmals in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Beweismitteln und der Nachweisführung durch Rechnungen.
1. Hintergrund
Gegenstand der Entscheidung ist die folgende seit 2004 eingetragene Unionsmarke:
Diese Marke wurde mit einem Verfallsantrag wegen Nichtbenutzung gem. Art. 58 Abs. 1 lit. a) UMV angegriffen. Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO ist zu der Auffassung gekommen, dass die vom Markeninhaber vorgelegten Nachweise die ernsthafte Benutzung der Marke nicht belegen konnten und erklärte die Marke für alle eingetragenen Waren und Dienstleitungen in Klasse 9, 37 und 39 für verfallen. Die daraufhin angerufene Beschwerdekammer des EUIPO hob diese Entscheidung auf, soweit die Marke für „Lautsprecher“ in Klasse 9 für verfallen erklärt wurde. Das EuG bestätigte nun mit Urteil vom 7. Februar 2024 die Beschwerdekammer: Die vorgelegten Beweise würden eine kontinuierliche und geografisch weit verbreitete Benutzung der angegriffenen Marke im relevanten Zeitraum für „Lautsprecher“ belegen.
2. Berücksichtigung von erstmalig in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Beweismittel
Das EuG geht zunächst auf die Frage der Berücksichtigung von Beweismitteln ein, die erstmals in der Beschwerdeinstanz vorgelegt wurden.
Unter Verweis auf Art. 95 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 stellt das Gericht zunächst klar, dass das EUIPO verspätet vorgelegte Beweismittel nicht zu berücksichtigen „braucht“. Dieses dem EUIPO eingeräumte Ermessen werde jedoch durch Art. 27 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2018/625 eingeschränkt, wonach Beweismittel immer dann zu berücksichtigen sind, wenn diese (i.) auf den ersten Blick für den Fall von Relevanz sind und (ii.) wenn sie aus berichtigen Gründen nicht fristgemäß vorgelegt wurden, insbesondere, wenn sie bereist fristgemäß vorgelegte einschlägige Tatsachen und Beweismittel lediglich ergänzen.
Im vorliegenden Fall erfüllten die erst in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Beweismittel diesen Anforderungen nicht: Keines der verspätet vorgelegten Beweismittel sei für die Entscheidung des Falles erheblich gewesen. Zudem sei es Sache der Klägerin (der vorlegenden Partei), darzutun, weshalb die Beweismittel für den Ausgang des Falles von Relevanz seien sollten. Diesbezügliche Ausführungen fehlten.
Kommentar und Praxishinweis: Diese Auffassung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechungspraxis des EuG (so in EuG, Urt. v. 9 Februar 2022, Az. T-520/19 – HEITEC). Zugleich bestätigt diese Entscheidung einmal mehr, dass es nicht damit getan ist, die neuen Beweismittel in zweiter Instanz einzuführen, sondern dass auch dargelegt werden muss, weshalb gerade diese Beweismittel für den Ausgang des Falles von Bedeutung sind und ihre Berücksichtigung zu einem anderen Inhalt der angefochtenen Entscheidung geführt hätte.
3. Rechnungen als Beweismittel zur Nachweisführung einer ernsthaften Benutzung
Grundsätzlich ist die Ernsthaftigkeit der Benutzung einer Marke anhand sämtlicher Umstände und Tatsachen des Falles zu prüfen, die geeignet sind, die tatsächliche Benutzung der Marke im geschäftliche Verkehr zu belegen. Der Benutzungsnachweis muss Angaben zu Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Marke enthalten. Gem. Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2018/625 können insbesondere Verpackungen, Etiketten, Preislisten, Katalogen, Fotografien, Zeitungsanzeigen, eidesstattlichen Versicherungen oder Rechnungen als Beweismittel herangezogen werden.
Das EuG hat sich in der besprochenen Entscheidung insbesondere mit den folgenden vier Einwänden befasst, die sich immer wieder im Zusammenhang mit Rechnungen als Beweismittel stellen.
Erster Einwand: Eine Marke wird in Rechnungen nicht markenmäßig, sondern allenfalls als Unternehmenskennzeichen verwendet.
Dieser Einwand greift nicht durch, wenn zwischen der Marke und dem Firmen- oder Gesellschaftsbezeichnung eindeutig unterschieden werden kann. Dies sei, so das EuG, im vorliegenden Fall aufgrund der optischen Gestaltung der Rechnung anzunehmen. Die Marke war in der Kopfzeile aller Rechnungen in der linken oberen Ecke angebracht, während in der rechten oberen Ecke der Firmenname (hier „Woxter Technology Co. Ldt.“), gefolgt von der Anschrift und den Kontaktdaten des Markeninhabers, angegeben war.
Zweiter Einwand: Aus Rechnungen geht nicht hervor, dass die Marke auf den Waren selbst angebracht ist und daher nicht ihrer Funktion entsprechend auf die betriebliche Herkunft hinweist.
Ist aufgrund der optischen Gestaltung der Rechnung davon auszugehen, dass ein Zeichen nicht die Gesellschaft identifiziert (siehe oben), so ist nach Ansicht des EuG, auch eine enge Verbindung zwischen der angegriffenen Marke und den in Rechnung gestellten Produkten hergestellt. Dies reiche aus um die Benutzung für bestimmte „Waren oder Dienstleistungen“ i.S.v. Art. 58 der Verordnung (EU) 2017/1001 nachzuweisen.
Dritter Einwand: Die Marke wird auf der Rechnung in einer Form benutzt, die von der Eintragung abweicht.
Auch dies sei unbedenklich, wenn die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinträchtigt werde (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. a Verordnung (EU) 2017/1001). Dem Markeninahber müsse es möglich sein, im Rahmen seiner kommerziellen Verwertung Variationen an dem Zeichen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall wurde die Marke auf den Rechnung in einer anderen Farbe als in ihrer eingetragenen Form dargestellt. Diese hielt das EuG für unbedenklich.
Vierter Einwand: Das aus den Rechnungen ersichtliche Verkaufsvolumen ist zu gering, um von einer ernsthaften Benutzung ausgehen zu können.
In diesem Zusammenhang stellte das EuG erneut klar, dass es nicht möglich sei, von vornherein Schwellenwerte festzulegen, anhand derer festgestellt werden könne, ob die Benutzung einer Marke ernsthaft sei oder nicht. So könnten je nach Branche und Wirtschaftszweig bereits minimale Umsätze ausreichen, um eine ernsthafte Benutzung zu belegen.
Kommentar und Praxishinweis: Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Rechnungen, die maßgebliche Rückschlüsse auf Art und Umfang des Waren-/bzw. Dienstleistungsabsatzes zulassen, in der Praxis zu den wichtigsten Beweismitteln für den Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung gehören. Jedem Markeninhaber, der die Benutzung seiner Marke nachweisen muss, ist daher zu raten, auch Rechnungen für den relevanten Zeitraum einzureichen.
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